Urphänomene des kosmischen und menschlichen Sprechens
Abb.: Hexagramm der Substanzen

1. Der Honigprozeß - Das Licht für das Ich

Die Zungenspitze ist der Ort, wo das Süße besonders geschmeckt wird. Bringt man beispielsweise ein Tröpfchen Honig auf die Zunge, dann hebt sie sich unwillkürlich zu jenem Punkte hoch, den wir den Herzpunkt nennen.
In den langen Jahren seiner sprachtherapeutischen Tätigkeit hatte der Verfasser häufig Kinder zu behandeln, die die Laute L, N, D, T, R und vor allem das S nicht richtig artikulierten. Da führte er mit einem Zahnstocher ein Tröpfchen Honig an den Herzpunkt, so daß die Zunge mit Leichtigkeit die Stelle finden konnte, wo L, N, D, T und das Zungen-R korrekt artikuliert werden. Keineswegs darf aber beim S die Zunge diesen Punkt berühren. Im Gegenteil, sie muß ihn offenhalten, um gerade dorthin den scharfen Luftstrahl zu lenken. Und um diesen Punkt ins Bewußtsein zu heben, wurde der Honig verwendet.
Es kommt für die weitere Betrachtung darauf an, für jede Geschmacksqualität eine typische Substanz zu finden, bei welcher der Prozeß des betreffenden Geschmacks sich mit ausreichender Klarheit darstellen läßt. Das ist für das Süße ganz gewiß der Honig. In einem der Medizinerkurse schildert Rudolf Steiner, wie man in der alten Medizin den Honig ansah. Da sagt er: "Es ist interessant, daß diese Methode, eine Art Urphänomen hinzustellen, gerade in jenen Zeiten eine große Rolle gespielt hat, wo, mehr von den Mysterlen aus, diese Pflege des Medizinischen usw. ausgegangen ist .... Da wurde z. B. gesagt: Nimmst du innerlich zu dir Honig oder Wein, dann stärkst du von innen aus die Kräfte, die aus dem Kosmos herein in dir wirken. Man könnte sagen: So stärkst du die eigentlichen Ichkräfte - denn das wäre dasselbe."33)
Daß sich der Mensch als eine selbständige abgeschlossene Persönlichkeit erleben kann, verdankt er vor allem jenen Kräften, die aus den Sternenwelten in ihn einstrahlen. Tiere bringen es nicht zu einem persönlichen Ich. Erst ganze Gruppen von Tieren besitzen ein gemeinsames Ich. Das wird besonders anschaulich beim Blenenstaat, bei dem alles so wunderbar geregelt ist. Die Königin im Stock kann man als die sichtbare Stellvertreterin des Gruppen-Ich ansehen. Das Licht einer ordnenden Intelligenz regiert den Staat.
Gleichfalls besitzt auch die einzelne Pflanze kein Ich und auch keine eigene Seele und doch offenbart sich durch Duft und Farbe ihre Gruppenseele. Im Nektar der Blüten werden die den Kosmos durchwelle nden Wirkungen des Gruppen-Ichs sogar in zarter Weise substantiell. Die Bienen, die den Nektar sammeln, verwandeln die pflanzenhaft kosmische Ichsubstanz in eine tierisch-kosmische Ichsubstanz. Nimmt der Mensch den Honig zu sich, dann regt er durch die lichten Gestaltungskräfte seinen Organismus an, verfestigende Stoffe auszuscheiden. Das benötigt besonders der alternde Mensch. Der Honig hilft jene Kräfte zu stärken, die aus den Sternenwelten einstrahlen und denen der Mensch sein persönliches Ich verdankt.
Was als Süße sich in Zuckerrübe oder -rohr ablagert, was Äpfel, Birnen und Feigen köstlich macht, das gelangt im Honigprozeß zu einem erstaunlichen Höhepunkt. Die Natur sprüht im Sommer den Nektar aus. Die fein verteilte Köstlichkeit eines Rapsfeldes oder eines Lindenbaumes wird von den Bienen fleißig gesammelt. Durch sie gießt die Natur einen Extrakt des kosmischen Lichtwirkens in die Waben. Eine weltverjüngende ' Festlichkeit! Die Natur verdichtet das Ichhafte, das die Pflanzen und die Bienen umgibt, zu der Honigsubstanz.
Wenn man den Honig schmeckt, macht man sich kaum klar, daß darin die lichtvollen Sonnenerfahrungen der Natur enthalten sind, das Konzentrat der kosmischen Weiten des Sommers. Beim Schmecken ist man passiv. Aber beim Bilden der Laute am Herzpunkt offenbart sich aktiv in anderer Weise der Honigprozeß.
Das Zungen-R ist die Lautgebärde für das zersprühende Licht, das sich feinstverteilt in den Blüten niederläßt und sich zu den Nektartröpfchen verdichtet.
Wenn das R artikuliert wird, kommt die Zunge in rhythmische Erregung. Es hüpft das Sprachherz am Honigpunkt und erzeugt seelisches Licht. Es wird, wenn R gesprochen wird, nur scheinbar Luft aus Eigentlich ist es rhythmisiertes Licht. - Man möchte es nicht glauben das R eine ausgesprochen beruhigende Wirkung ausüben kann. Es ist Abbild der rhythmisierten Luftprozesse von Wachen und Schlafen so erweckend wie Honig und so einschläfernd wie sein Genuß. ist das R auch geeignet, Störungen des ungeordneten Wachens und Schlafenszu korrigieren, wie nervöse Erscheinungen, Zuckungen u. dgl.
Das L bildet jenen Naturprozeß nach, der in den Pflanzen durch den Chemismus unter dem Einfluß von Licht aus Stärke den lebendigen Zucker entstehen läßt. Kohlendoxyd und Wasser werden aufgenommen. Sauerstoff wird ausgeschieden. Die L-Kraft'n der Natur ist der kosmische Alchyrnist, der verbindet und trennt, der die Stärke und als Steigerung derStärkebildung den Zucker hervorbringt. Im menschlichen Organismus bringt das L die ätherisch-wäßrigen Vorgänge in Fluß. Es sorgt dafür, daß der Leib und seine Substanzen nicht in die Schwere fallen, daß die lebendig-chemischen Vorgänge so ablaufen, daß sich das Lebensgefühl einstellt: Man fühlt sichw,e ein Fisch mWasser. Das L macht tatenfroh.
I, A und 0: Man muß sich den Honigprozeß in der Natur durchlebt und durchseelt denken von Natur-wesen, die den Raum erfüllen und in jeder Blüte die Sonnenvokale zum Erklingen bringen. Das sind 'ene Vokale,deren Vibrationszentrum am Herzpunkt ist. Das kosmische A öffnet die Blüten, das 0 bewahrt sie vor zu frühem Verwelken und der I-Strahl leuchtet in das Nektarzentrum.
In diesem Zusammenhang soll eine erstaunliche, kleine Entdeckung erwähnt werden, die ein Freund in einem Museum'n den Golan-Höhen machte. Er fand dort zusammengerollte Kupferblättchen aus dem ersten Jahrhundert, die man als Amulette trug. Auf einem dieser Blättchen war folgender Text eingraviert: Ein gutes Begleitwort, um heil zu halten ialtha, die Tochter des Marlanus, gegenüber dem Fieber und dem Frost und dem Bösen. 1 - A - 0 - treibe aus das Fieber und den Frost, die Dämonen der Weiblichkeit und jene Geister, die aus den Tiefen des Leibes heraus sie bedrängen, von Jaitha, der Tochter des Marlanus, im Namen des Ich-bin-der-Ich-Bin.'
Hier sieht man, wie sachgemäß man zu dieser Zeit bei der Heilung mit den Lauten vorgegangen ist. Es war eine prophylaktische Maßnahme gegen Fieber, Frost und das Böse. Beim Fieber dehnt sich der Ätherleib zu weit aus. Das 1 zieht ihn zusammen. Wenn sich ein Mensch ungenügend erwärmen kann, dann wird ihm das 0 helfen, seinen Wärmeorganismus zu erweitern. In allen Fällen, wo es darauf ankommt, die Triebe und Leidenschaften zu beherrschen, muß das A als Medikament herbeigeholt werden. Es öffnet sich dem lichten Geistigen und verbannt die Dämonen aus den Tiefen-.
Wenn wir vom Honigprozeß aus das N betrachten, müssen wir uns an das erinnern, was über die Nasale gesagt wurde. Sie sind die Repräsentanten des Entsagens. Sie sind Erdlaute und verlebendigen das Erdelement durch den Lebensäther. Die Biene, selber ein geflügeltes Wesen, wird zum Gleichnis für das N. Die Biene begehrt nichts für sich. Sie gibt alles für das Wohl des gesamten Stockes hin.
Das N macht klug. Es ist eine Voraussetzung der Klugheit, sich über das dumpfe Empfinden erheben zu können. Der Nasenlaut am I'chten Honigpunkt gibt leichten und klaren Verstand durch das Entsagen.

Wir haben die Herzpunktlaute in der Reihenfolge des Lautkreisaufgesucht und kommen nun bei der nächsten Etappe zum D. Da muß sich der Honigprozeß verdichten. - Der Nektar, den die Biene einholt, wird durch ihr Sekret in Honig verwandelt und dem Stock einverleibt. Es bedeutet für die Natur etwas Erlösendes, wenn sie das Weitverstreute sammelt - weil der Honigprozeß zur Ruhe kommt.
Das D gibt, was das N nimmt; z. B. enthält das Wort Dein durch das D das Geben und durch das N das Nehmen. -Was beim R wirbelt und dreht, kommt im D zur Ruhe. Ein Beispiel dafür ist das Wort Rad.
In der Therapie hilft das D einen Prozeß zum Stillstand zu bringen. Dabei ist aber zu beachten, daß Ruhe und Bewegung in einem polaren Verhältnis zueinander stehen. Wenn an irgend einer Stelle etwas zur Ruhe gebracht wird, kann dafür an anderer Stelle etwas in geordnete Bewegung kommen. Das erläutert gerade unser Leitbild des Honigprozesses. In dem Moment, wo der Honig im Stock angekommen ist, kann sich dort das bewegte Leben entfalten. - So ist es auch in der Therapie. Bringe ich durch das D beim Stoffwechselpol etwas zur Ruhe, schaffe ich die Voraussetzung für die innere Bewegtheit im Nerven-Sinnespol und umgekehrt; das Beruhigen des Nerven-Sinnespoles schafft die Voraussetzung für die geordnete Bewegung im Gliedmaßen- und Stoffwechselbereich.
Der Bienenstaat könnte nicht weiterleben, wenn nicht einmal im Jahre ein gewaltiger Einschlag stattfinden würde, nämlich das Schwärmen der Bienen. Da wird anschaulich, wie im Kosmos das T wirkt.
Das Bienenvolk schwärmt, kurz bevor eine junge Königin ausschlüpft und wenn das Wetter schön ist. Da wird das ganze Volk von Unruhe erfaßt. Alles rennt und schwirrt scheinbar chaotisch durcheinander, obwohl alles, was geschieht Ziel und Zweck hat. In einer Art von T-Tellung verläßt das halbe Volk mit der alten Königin den Stock. Die Auswanderer stopfen den Honigvorrat in ihre Honigmägen und schwirren davon. Nach halb kurzem Flug läßt sich die Königin auf einem Baumast nieder. Ihr Gefolge umgibt sie dicht gedrängt und bildet die Schwarmtraube, die vom Ast herunterhängt. Kundschaftet werden ausgeschickt,eine neue Unterkunft - etwa in einem hohlen Baum - zu suchen. Dorthin zieht dann das Volk mit der alten Königin. Damit haben sie im früheren Stock für ein neuesLeben Platz gemacht.
Diesem Naturereignis entspricht im Menschen das Seelenereignis der Begeisterung. Rudolf Ste'ner sagt: "Es strömt sonnenhaft dasjenige aus, was man das Element der Begeisterung nennen kann, das Element, das in der Brust seinen" ) Die innere Sonne strahlt, wenn sich der Mensch für das Wahre, Schöne oder Gute begeistert, nach außen. jeder Herzschlag ist der Anfang einer Begeisterung. Bei jedem Schlag zersprüht etwas, wie beim Schwärmen der Bienen, und macht, daß sich das Blut verjüngt. Das T ist der Herzlaut, bei dem die Herzkräfte versprühen und immerfort ein partieller Tod dem Leben Platz macht.

Unter den Herzpunkt-Lauten spielt der Feuerlaut S eine besondere Rolle. Bereits anfangs sagten wir, daß die Zungenspitze den Herzpunkt nicht berührt, sondern sich in der Regel gegen den Alveolarrand der unteren Zahnreihe drängt. Aber der Luftstrahl, der durch die Mittelrille der Zunge geleitet wird, wird gegen den Herzpunkt geworfen und von dort gegen die unteren Schneidezähne reflektiert. Was bedeutet diese Lautgebärde? Das S trägt den Charakter des Feurigen und das Feurige stößt direkt an den Herzpunkt. Da zeigt sich, daß das Feuerelement gar nicht unmittelbar zum Honigprozeß dazugehört. Es' dort am falschen Platze und wird zur Giftwirkung. Selbstverständlich brauchen die Bienen das Gift, aber nicht für das Leben, sondern für das Töten. Das S scheidet das Feindliche aus. Es hat reinigende Wirkung.

Daraus wird die Wirkung des S ersichtlich. Das S ist unter den Lautender höchst heilsame Giftstachel. Das S reinigt. Es hilft das, was dem ich feindlich ist, auszuscheiden. Alles in allem drückt sich im Honigprozeß etwas Urbildhaftes aus. Wie die Biene aus dem Blenenstock fliegt, um den Blütensaft zu erbeuten und daraus Honig zu bereiten, so macht es auch die menschliche Seele. Sie dringt aus ihrer geistigen Heimat in die äußere Wirklichkeit und sammelt darin Erfahrungen, die sie in die geistige Welt zurückbringt. Uberall ist Weisheit enthalten. Aus allen Erscheinungen kann die Seele lernen und dieErfahrungen zu Fähigkeiten verwandeln.
In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, daß der berühmte Zwlschenkieferknochen, den Goethe beim Menschen entdeckt hat, sich genau an der Stelle befindet, die wir den Herzpunkt nennen. Man war bis zur Entdeckung durch Goethe in dem wissenschaftlichen Irrtum befangen, daß dieser Knochen, das os incisivum, wohl bei höheren Säugern, nicht aber beim Menschen vorhanden sei. Zu dieser Ansicht wurde man geführt, weil der Zwischenkleferknochen beim Menschen in der Regel nahtlos mit den übrigen Kleferknochen verwachsen ist. Goethe entdeckte aber an einzelnen abnorm gebildeten Schädeln dessen Existenz. Begeistert schreibt er im Frühjahr 1784 an Herder: Es soll dich auch herzlich freuen, denn er ist wie der Schlußstein zum Menschen.' - Er ist es wirklich! Goethe mag die Tragweite dieses Wortes gar nicht ermessen haben. Aus ganz anderen Zusammenhängen finden wir nun, daß der Schlußstein der menschlichen Anatomie der Herzpunkt ist. Er befindet sich genau genommen beim mittleren Scheitelpunkt des Zwischenkleferknochens. Von hier aus strahlt das Licht der Sprache in die Artikulation ein. Hier beim Herz- und Honigpunkt sind die Laute situiert, welche die Träger des sprachlichen Sonnenwirkens sind.


Abb. 25: Zwischenkieferknochen (schraffiert)

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Zusammenfassung
Der Honigprozeß - Das Licht für das ich.
Die Pflanze bildet in den Blüten den Nektar. Sie nimmt damit Anteil an den Ichkräften, die die Natur durchziehen. Die Bienen verwandeln diese kosmisch-pflanzliche Ichsubstanz in eine kosmisch-tierische Ichsubstanz. Nimmt der Mensch Honig zu sich, so regt er durch das Gestaltungsprinzip des Lichtes seinen Organismus an, verfestigende Stoffe auszuscheiden, was besonders für den alternden Menschen wichtig ist. Das geschieht, weil durch den Honigprozeß das Ich in seiner Wirkung auf den Organismus unterstützt wird.
Die Zunge schmeckt Süßes an der Spitze. Unwillkürlich bewegt man die Zungenspitze an den Herzpunkt, an dieselbe Stelle, wo R, L, N, D, T und in gewisser Hinsicht auch S gebildetwerden. Die Vokale 1, A, 0 haben dort ihr Vibrationszentrum.
Der Mensch spricht durch diese Laute geistig-substantiell dasselbe aus, was naturhaft die den Kosmos durchwellenden Ich-Kräfte aussprechen, die besonders im Honigprozeß in Erscheinung treten.


2. Der Wermutprozeß - Der Starkmut

Wird bitterer Geschmack wahrgenommen, dann zieht sich die Zunge unwillkürlich zurück und drängt sich gegen den Rand von hartem und wenn die Gauweichem Gaumen. Dieselbe Bewegung wird ausgeführt,
menlaute G, K, CH, J, NG gebildet werden. Von den in der Natur vorkommenden Bitterstoffen mag wohl der Wermut am deutlichsten jenen Substanzprozeß ausdrucken, der der Lautbildung entspricht.
über den Wermut (Artemisia Absintium) ist aus Wilhelm Pelikans Heilmittellehre folgendes zu entnehmen-. Das hoch berühmte Heilkraut war schon im alten Ägypten wohlbekannt; als das beste galt das von den Küsten des Schwarzen Meeres.- Es mag sein, daß es seinen Namenvon den dort zahlreichen Artemisheiligtümern erhalten hat. Das Kraut ist außerordentlich bitter, und sein strenger Duft verrät sogleich etwas von den Kräften, die das Bittere und das stark Aromatische zu einer einzigartigen Zusammenwirkung komponieren.... Das aus dem Kraut destillierte, dem Absinth zugesetzte Öl ist stark giftig und führt bei chronischem Gebrauch zu schwer schädigenden Wirkungen."")
Es ist außerordentlich interessant, daß sowohl Heilendes wie Schädigendes in der Pflanze enthalten ist. Aus einem der Arbeitervorträge Rudolf Steiners erfahren wir, daß der Wermut dem Flüssigkeitsorganismus dazu verhilft, das Luftige in der richtigen Weise aufzunehmen. Durch eine gute Verbindung von Flüssigem und Luftigem wird verhindert,daß sich im Leib ein zu starkes Wohlgefühl ausbreitet. Das tritt nämlich ein, wenn Absinth genommen wird, der in früheren Zeiten ein Suchtgift ersten Ranges war. Rudolf Steiner sagt: "Der Mensch fühlt sich durch den Genuß so wohl wie ein Schwein." Beim Schwein ist dieser Zustand konstitutionell, weil es seinen Luftorganismus nur ungenügend mit dem wäßrigen Organismus verbindet. Das Seelische ist im menschichen Körper nicht dazu da, daß es überall dem Menschen zum Wohlgefallen dienen soll, sondern es soll an den Organen in der richtigen Weise arbeiten, daß das Herz - daß alle Organe richtig versorgt werden."") Was der Absinth an Schaden anrichtet, das heilt ein Extrakt aus dem Kraut der Pflanze. Er

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verbindet das Wäßrige mit dem Luftigen, so daß im Organismus ein Gleichgewichthergestelltwird und Wohlbehagen und Mißbehagen einander die Waage halten. Die Pflanze enthält hauptsächlich zwei Bestandteile: das giftige ätherische Öl, das Absinthol und das bittere Glykosid, das Absinthin. Das letztere ist es, das den Appetit anregt und die Verdauung fördert. Es kommt zur Geltung, wenn man die Blätter überbrüht.
Wermut sieht mit seinen silberglänzenden Blättern aus, als würde er immerzu, auch am Tage, vom Monde beschlenen. Mag sein, daß man ihn deshalb der Mondgöttin weihte. Die Blätter sind tief gegliedert, wie die Kurven einer tiefen Atmung. Das weist darauf hin, wie eindringlich das Licht und die Wärme aufgenommen werden. Betrachtet man die Negativform der Blätter, dann scheint es, als ob Flammen hineinbrennen würden: eingezeichnete Feuerlaute, das schwelende CH und das flammende j. Diese beiden Laute werden an der Bitterstelle des Gaumens gebildet und ziehen durch die Zungenrille zum Herzpunkt hin, den wir eben als den ,Lichtpunkt' im Artikulationsraum beschrieben haben. Man könnte auch sagen, das CH - besonders der weiter vorne gebildete sogenannte ICHLaut und das j züngeln aus der bitteren Finsternis hin zum süßen Licht.
Der herbe Duft, der jenes ätherische Öl enthält, woraus man Absinth erzeugt, entzieht sich der Bitternis. Da löst sich etwas los, das vor dem Schweren, Leidvollen resigniert. Der sprachliche Ausdruck dafür ist das NG.
Aber die Säfte des Wermuts nehmen die Bitterstoffe auf und machen daraus das Hellkraut, das der Gallen-Leberfunktion so hilfreich ist, erlösend wie das G, überwindend wie das K.
Die Zunge zieht sich, wenn sie Bitteres schmeckt, ganz in ihr Gehäuse zurück und drückt gegen den Gaumen. sie spannt ihre Muskeln zieht gleichsam ihren Kopf ein: eine ausgesprochen cholerische Gebärde. Wie sollte es anders sein? Ist es nicht die Bitternis der Galle, die bei derCholerik überschießt?
Die Seele verbindet sich zu stark mit dem Leibe, anders ausgedruckt, der Astralleib mit dem Ätherleib. Es kommt zu dem dunklen Wüten der Seele. Aber die Gaumenlaute CH, J, NG, G und K verwandeln den bitteren Zorn in guten Willen.
Mensch und Natur sind in die Materie hineingesunken; und das Wort Materie heißt Mutter. Der Wermu t (lat. Artemisia), die Pflanze der Großen Mutter, der Artem,s, st wohl das beste Leitmotiv für die Gaumenlaute.
In die gesamte Natur hat s'ch'm Laufe der Erdenentwicklung durch das Materiell-werden des Geistigen "Bitternis' ergossen. Der Mensch muß die Beschwerden des Erdendaseins auf sich nehment, die Not und den bitteren Tod. Aus dem, was aus dem Wermutprozeß und aus den Gaumenlauten spricht,- erwächst ihm der Starkrnut, all die Bitternis zu ertragen.

Zusammenfassung
Der Wermutprozeß - Der Starkmut
Wermut bildet Bitterstoffe und das ätherische Öl, den Absinth. Nimmt man den bitteren Absud der Pflanze zu sich, dann wird im Organismus angeregt, daß sich Wäßriges und Luftiges besser verbinden und kein zu großes Wohlbefinden im Leibe entsteht. Absinth bewirkt das Gegenteil.
Der Geschmack des Bitteren veranlaßt die Zunge, sich zusammenzu ziehen und rückwärts den Gaumen zu berühren: eine cholerische Gebärde. Dieselbe Stellung nimmt sie ein, wenn J, CH, NG, G, K gesprochen werden.
Die Analogie weist darauf hin, daß diese Laute dieselbe Sprache sprechen, wie das Bittere in der Natur.


3. Der Milchprozeß - Die das Ich schätzende Macht


Eine weitere Artikulationszone befindet sich an den Lippen, wo die Laute M, B, P gebildet werden. Die Lippen empfinden nicht, wie die Zungenspitze oder die Hinterzunge, einen besonderen Geschmack. Aber wir dürfen auf das im 1. Teil Gesagte hinweisen, wo wir die Lippen als eine Metamorphose der Milchdrüsen angesehen haben. DieLippenlaute offenbaren ihre Verwandtschaft mit der Milch.
Der Geschmack von Milch ist völlig harmonisch, in sich geschlossen, abgerundet. Wie der Regenbogen alle Farben in ausgewogener Komposition enthält, so müssen in der Milch alle für ein Kind oder ein junges Tier notwendigen Aufbaustoffe enthalten sein, da es eine Zeitlang einzig damit ernährt wird. Nichts kann dieses Nahrungs-Kompendium ersetzen. Der Säugling ist seiner Natur nach ganz auf die Muttermilch eingestellt. Simonis schreibt: "Sie bringt ihm die Festigung seiner Körpergewebe bis in die Knochen hinein, die seiner jeweiligen Entwicklungsphase angemessen ist. Unter den menschlichen Wesensgliedern ist das Ich in einer dem Säugling vergleichbaren Situation. Es ist das jüngste und damit unentwickeltste Glied und benötigt Schutz und Nahrung wie von einer Mutter. Das besorgt der ätherische Leib, der vorwiegend an die Tätigkeit der Drüsen gebunden ist. Die Milchdrüse ist ein Urbild jeder Drüsentätigkeit. Wenn eine Mutter stillt, dann gibt sie an den kindlichen Organismus einen Teil der eigenen Ätherkräfte ab. Alle Drüsen sind dazu da, ein ,Kind' zu stillen, nämlich das Ich. Die Drüsentätigkeit liefert dem Ich die substantielle Grundlage. Sie bildet die ätherische Haut, worinnen das Ich leben kann, damit es nicht schutzlos den Einflüssen der Außenwelt ausgeliefert ist.
Diese Zusammenhänge werden durch eine Vortragsstelle Rudolf Stelners bemerkenswert erhellt. Es gab eine Zeit, da war das, was heute unsere Blutwärme ist, noch nicht in uns, sondern strömte so aus und ein in unseren Organismus wie heute die Luft. Wie heute die Luftgeister uns durchfluten, so waren es damals die Feuergeister. Da atmete der Mensch die Wärme aus und ein.
Und wie unter dem Einfluß der Luftgeister sich das rote Blut bilden konnte, so durchströmte damals, als die Feuergeister in unserem Organismus arbeiteten, ein anderer Stoff als Lebenssaft alle Wesen: die Milch. Das, was heute als Milch in allen Wesen fließt, die ihre jungen säugen, ist ein Überrest aus jener Zeit."")
Und weiter wird geschildert, daß sich in allen Drachenmythen Erinnerungen an die einstige Feueratmung erhalten haben. Der Drache ist ein übersinnliches Wesen, welches feueratmend erlebt wurde, das kein Blut, sondern eine eiweißhaltige Flüssigkeit besaß. Der Menschheit sollte die ichentwicklung vorenthalten werden. Ein Repräsentant der nach dem Ich strebenden Menschheit war Siegfried. Die Überwindung des Drachen bedeutet, daß er in sich selber jene Macht überwunden hatte, die ihn hinderte, individuell zu werden. Dazu war notwendig, daß er den Milchbildungsprozeß nach außen verlagerte, denn das rote Blut mußte in seinen Adern fließen, nicht eine milchartige Substanz. Das bedeutet das Baden im Drachenblut.
Dieser Geistessieg, der in einer Änderung der gesamten organisation bestand, machte ihn unverwundbar. Er war von einer ätherischen Hülle, umgeben, die ihn schützte gegen alles, was sein Ich-Bewußtsein behindert hätte.
Und doch, ein Rest war noch unbewältigt geblieben. Die Sage erzählt, daß Siegfried durch ein herabgefallenes L,ndenblatt zwischen den Schulterblättern eine verwundbare Stelle behielt. Christus, der an der selben Stelle das Kreuz zu tragen hatte, war noch nicht da gewesen. Erst durch die Wirkung des Mysteriums von Golgatha wurde der Mensch befähigt, wirklich ichdurchdrungen zu leben. Darin liegt die tiefe Tragik der Siegfriedsage.
Es gibt eigentlich nur drei Konsonanten, die als reine Lippenlaute gelten können: M, B und P. W und F verwenden die oberen Schneidezähne an Stelle der Oberlippe. Man könnte noch von den Vokalen das U hinzuzählen, weil dabei die Lippen stark mitvibrieren.
Das M ist der Laut, der die Milchbildung im mütterlichen Organismus ausdrückt. Die Mutter gibt die eigene Körpersubstanz dem Kind. Es ist reinstes Entsagen, die Tugend der Nasenlaute Oberhaupt. Das P überwindet den Drachen im Inneren, so daß die aus dem Stoffwechselbereich aufsteigende Ichfeindlichkeit gehindert wird, das Ichbewußtsein zu beschädigen. Das B wendet den Milchbildungsprozeß nach außen und bildet damit den Panzer, der das Ich beschützt. Im U können wir jene Seelenkraft erkennen, die dem Menschen die Standhaftigkeit verleiht, sein immerfort gefährdetes Ich zu wahren. Wie die Milchernährung dafür sorgt, daß genügend Kalk eingelagert wird, befördert das U die Seelenkraft, die nötig ist, um sich seiner Knochen zu bedienen.

Zusammenfassung
Der Milchprozeß - Die das Ich schätzende Macht
Der Zusammenhang der Lippen mit der Milch ergibt sich durch die Metamorphose; nicht durch den Geschmack. Die Milch bildet sich im weiblichen Organismus im Anschluß an die Schwangerschaft. Sie enthält Aroma und alle Geschmacksqualitäten, latent auch das Saure. Was für den Säugling die Milch bedeutet, das bedeutet im späteren Leben für das Ich die Tätigkeit der Drüsen.

Der sprachliche Ausdruck des Milchbildungsprozesses sind die Lippenlaute.

4. Der Anisprozeß - Die Hingabe an den Kosmos

Für die Nasallaute kommt nicht der Geschmack, sondern das Aroma der Nahrungsstoffe in Betracht. Nehmen wir dafür als typische Pflanze d ' en Anis (Pimpinella anisum). Durch den Duft wächst sein Leib über die sichtbaren Grenzen hinaus. Er verbreitet in der sonnenerwärmten Luft seine feinverteilte Substanz. Anis verbrennt sich dabei fast selber. Das Körnchen ist nämlich nicht bloß ein Samenkorn, sondern eigentlich eine Frucht, deren Fruchtfleisch völlig verdorrt ist. Dadurch wird Anis ganz erdhaft. Er läutert das Erdhafte. Die mineralischen Stoffe werden mit dem Säftestrom hinauf in das Luft- und Wärmereich gehoben. Dort entsteht das ätherische Öl. Darum wirkt Anis so wohltuend z. B. gegen Blähungen, weil Luft- und Wärmeorganismus harmonisch miteinander verbunden werden; eine Wirkung, die bekanntlich von einer stillenden Mutter sogar auf den Säugling übergeht.
Man nimmt Geruch und Aroma während des Einatmens durch die Nase wahr. Denselben Weg nehmen die Nasallaute in der Gegenrichtung beim Ausatmen. Und gerade das Anisaroma enthält die Eigenschaft besonders ausgeprägt, welche auch die Nasallaute besitzen, nämlich die verströmende Hingabe an den Kosmos.
Was bei den Nasenlauten geschieht, erklärt sich durch die Metamorphose. Wir sagten: die Nase sei eine verwandelte Lunge und die Artikulation eine verwandelte Herztätigkeit. Bei den Nasenlauten bedient sich die verwandelte Herztätigkeit der verwandelten Lunge. Anders gesagt, die Artikulation bedient sich der Nase und erzeugt die Laute M, N, NG.
Insofern offenbart sich in diesen Lauten das Zusammenspiel zwischen Herz- und Lungentätigkeit, wodurch der Mensch im Zusammenklingen von Pulsieren und Atmen vom Lebensäther durchdrungen wird.
Der Atem nimmt das Herz auf seine Flügel und läßt es nicht ein bloß physisches Organ sein. Alles Herzerhebende kommt davon her, daß das Seelische auf dem Wege des Atmens sich mit dem Menschen-Ich verbindet. Die Nasenlaute sind der sprachliche Ausdruck dafür.
Wären M, N, NG bloß Nasale und nicht auch Lippen-, Herzpunktoder Gaumenlaute, dann würde das Herz nicht mitsprechen. Es spricht aber vergleichsweise durch Milch, Honig und Wermut, und das Lungenleben vergleichsweise durch Anis. Die Substanzprozesse durchdringen
sich.
Damit gewinnen wir Leitmotive für die Heilwirkungen der Laute. Ganz gewiß hat man solche Zusammenhänge gewußt. Vergessen wurde nur, warum man z. B. geronnene Milch (Quark) als Wickel für Bronchltiden, Lungenentzündungen etc. verwendet. Es geschieht darum, weil Aromatische der Milch von der Haut her den Gasaustausch anregt, vor allem dann, wenn man innerlich mit einem Anis-Absud die Behandlung unterstützt. Man führt damit im Grunde genommen substantiell einen MProzeß durch.
Die Nasale werden an den drei Orten der Artikulation im Mundraum gebildet. Das sind die drei verwandelten Herzkammern. Die vierte verbindet sich mit dem verwandelten Lungenleben und hebt die drei anderen empor. So gelangen wir zum Sinnbild der geflügelten Sonne.
Der Atem steigt aus den zahlreichen "Beinen' der verästelten Bronchien auf. Dann vereinigt sich der Luftstrom in der Luftröhre und passiert den Kehlkopf. Dort empfängt er den lebenumhüllenden Ton. Nun dringt er zu einer der drei Artikulationsstellen vor, durchbricht sie aber nicht, sondern steigt in die Nase, wobei er sich an den beiden Nasenlöchern verzweigt. Da findet also der Atemstrom zu der Zwelheit von "Beinen zurück, aber es sind Beine', die wie "Flügel' erscheinen. Die beiden Flügel nehmen das artikullerende Herz und tragen es.
Durch den Bestand an Nasallauten, auch durch die Nasalisierung der Vokale, werden Sprachen geeignet, geistige Inhalte auszudrücken. Dafür ließen sich zahllose Beispiele anführen. Die Nasale heben das Sprechen hinauf in jenen aromatischen' Bereich, wo es sich wie Anis vergeistigt. Sie sind die Helfer für Wahrnehmen, Denken und Erinnern. Warum ist das so?
Will der Mensch richtig wahrnehmen, denken und erinnern, so darf er nicht seinen willkürlichen Intentionen folgen. Er läßt sich beim Wahrnehmen von dem lenken, was ihm die Sinne sagen. Er folgt im Denken dem wahren Sachverhalt. Er sucht im Erinnern treue Bilder des Erfahrenen zu reproduzieren. Kurzum, er befolgt die Tugend der Nasale, nämlich das Entsagen. Es verhalten sich Wahrnehmen, Denken und Erinnern auf dem Felde der Intelligenz, wie sich die Nasale auf dem Felde der Sprache verhalten.
Beim M dringt der Atem an die Lippen heran, nicht um sie zu durchbrechen, sondern nur, um sie in leichte Vibration zu versetzen. Die Lippen, die so viel sinnliche Lust verraten können, an denen die Sinneswahrnehmung beim Kind Oberhaupt den Anfang nimmt, bleiben verschlossen: Ein Ausdruck der Begierdelosigkeit. Das trägt der Atem hinauf in den Nasenraum.
Beim N begibt sich die Zunge zum Honig- oder Herzpunkt, und der Atem hebt gleichsam die Herzerfahrung des gedachten Weltinhaltes nach oben.
Beim NG drückt die Zunge dorthin, wo die Speisen geschluckt werden, wo ihr Geschmack dem Bewußtsein entschwindet. Beim Sprachprozeß ist es umgekehrt, weswegen das NG zum sprachlichen Ausdruck für das Erinnern wird.
Daraus läßt sich ersehen, daß sich die Nasale vorzüglich dafür eignen, die für die Intelligenz wichtigen Leistungen anzuregen: das M für das Wahrnehmen, das Nfür das Denken, das NGfür das Erinnern. Bei einer Therapiereihe wird man am besten das NG durch ein K abschließen, um den Willen zu befestigen: ANGK. Außerdem wird es notwendig sein, immer wieder das T wie einen Herzschlag dazwischen zu werfen, so daß die Therapiereihe folgendermaßen lauten könnte:

(0 - M), T-A-T
(E - N) T-A-T
(A - NG - K), T-A-T

Das ist ein Beispiel, wie in der Chlrophonetik eine Lautreihe zusam-
mengestellt wird. Es mag kein Zufall sein, daß eine ähnliche Lautreihe bei der Namengebung in ägyptischer Zeit verwendet wurde. Man wollte ausdrucken, daß ein Mensch die Aufgabe hat, in seiner Seele die gekennzeichnete Intelligenz zu entwickeln und mit starkem, männlichem Willen in die Tat überzuführen.
Man nannte eine Persönlichkeit, von der so etwas erwartet wurde, TutEngk-Amun. Die deutschen Wörter Tat" oder "tut' sind insofern Namen, bei denen Lautbestand und Sinn sich decken.
Zu ähnlichen Bildern gelangt man, wenn man die hebräischen Namen der Laute ins Auge faßt. M trägt den Namen MEM = Wasser", wobei nicht das irdische Wasser gemeint ist, sondern'enes Geistesmeer, aus dem das Leben stammt. N = NUN bedeutet Fisch' und bezeichnet den Gedanken, der aus dem Geistesmeer zu holen ist. NG kommt im hebräischen Alphabet nicht vor, aber man könnte es das Fischefangen, das Angeln nennen, als Bild für das Erinnern.

Zusammenfassung
Der Anisprozeß - Die Hingabe an den Kosmos
Die Anispflanze hebt ihre Säfte hinauf in das Luftig-Lichte der Atmosphäre und vor allem in die Wärme, wo ihre Früchte beinahe verdorren. Dort bildet sich das sehr feine ätherische Öl. Mit dem Duft vergrößert sich eine Pflanze weit über die sichtbaren Grenzen in den umgebenden Kosmos hinaus.
Wie sich Anis an den Kosmos hingibt, so gebärden sich auch die Nasale. Sie heben die Sprache ins Geistige und sind durch ihre Hingabe die sprachlichen Vorbilder für Wahrnehmen, Denken und Erinnern.


5. Der Essigprozeß - Die Ernüchterung

Wird eine saure Substanz, etwa Zitronen- oder Essigsäure, auf die Zunge gebracht, dann beginnt der Speichel reichlich zu fließen. Dadurch verringert sich die Säurekonzentration. Die Zunge empfindet den Geschmack an den seitlichen, hinteren Rändern. Sie drückt sich fest gegen die hinteren Zahnreihen und zieht sich gleichzeitig zusammen. Beide einander gegenläufige Tendenzen erzeugen eine beträchtliche Spannung, wodurch sich in der Mitte eine Längsrille bildet.
Im Magen produziert der Organismus Säure. Die Magensäure hilft in einer ersten Etappe, die Nahrungsmittel ihres Eigenseins zu entkleiden, sonst würden Verwesungsstoffe entstehen, die in der Konsequenz Zerfallserscheinungen hervorrufen müßten. Es ist Oberhaupt eine Aufgabe der Säuren, in der Natur die Organismen vor dem Zerfall zu bewahren.
Wenn man versucht, die Stellung, welche die Zunge beim sauren Geschmack annimmt, beizubehalten und dabei die Luft herauszublasen, dann entstehen CH, SCH oder S. - Das SCH ist ein vorzügliches Mittel in der Therapie von Magenstörungen, wovon noch später die Rede sein wird.
Bei der Frage, welche Substanz den Säureprozeß am anschaulichsten darstellt, haben wir den Essig gewählt und zwar aus folgender Überlegung: Essig entsteht aus einem vergorenen Fruchtsaft. Zuerst muß z. B. die Traube zur Frucht heranreifen. Es steigert sich der vorher saure Saft zum süßen. Dann übersteigert er sich bei der alkoholischen Gärung zum Wein. Wenn zuletzt der Wein sauer wird, entsteht als Endprodukt der Essig. Der Prozeß beginnt beim Sauren und endet beim Sauren: sauer - süß alkoholisch - sauer. Eine Fruchtsäure befindet sich noch vor diesem Prozeß. Der Essig hat gleichsam den Rausch hinter sich. Er hat sich gereinigt vom Rausch der Ichsucht. Essig bedeutet eine Ernüchterung in der Natur.
Offenbart sich nicht in den Lauten S, SCH, CH und j dieselbe Qualität? Sie sind alle Feuerlaute. Ihr Strömungsverlauf muß beengt werden und das geschieht auf die beschriebene Weise. Wie der Essig verengt, so verengen sich auch diese Laute; wie der Essig scharf genossen brennt, so besitzen auch diese Laute den feurigen Charakter; und wie der Essig ernüchtert, so tun es auch diese Laute. Man nehme nur das S. Es zieht zusammen und stimuliert bekanntlich bei Kindern die Urinausscheidung. Kein anderer Laut wirkt so zwingend. Sein Feuer kommt aus der gedrängtesten Enge. Eigentlich verbreitet er nicht Wärme, sondern er kühlt.
Anderes ist es beim stimmhaften S. Durch den Ton klingt etwas Seelenhaftes mit, das an das Summen von Bienen erinnert. Das nimmt dem Laut etwas von der Kälte. Dafür kommt zur Strahlkraft etwas sehr Mächtiges hinzu, welches nicht nur kühlt, sondern auch ordnet. Wie durch das Schwert des Cherubs oder durch das Skalpell des Chirurgen eine gestörte Ordnung wieder hergestellt wird, so dringt man mit dem stimmhaften S in das Innerste. Da klingt ein Singen mit beim Streit mit dem Schwerte, welches Versöhnung verspricht.
Das SCH wird ähnlich wie das S gebildet, nur mit breiterer Rille, weswegen die Luft langsamer strömt und vom Herzpunkt breiter gegen die unteren Schneidezähne geworfen wird. Ein gefächert breiter Strahl verläßt den Mund, nicht so spitz und stachelig wie beim S. Es bildet sich etwas Strahliges, wie nach außen gewendete Zähne. Das mag die Hebräer veranlaßt haben, den Laut SCHIN zu nennen, was Zahn bedeutet. Da kommt zu dem Essigprozeß noch der Salzprozeß hinzu, der im folgenden Kapitel zu besprechen sein wird.
Beim CH verbreitert sich die Rille noch mehr. Die Artikulationsstelle rückt an die Hinterzunge, also an das Areal des Bitteren heran. Ein Feuerlaut mit der Ernüchterung des Essigprozesses und der Willenskraft des Wermut. Das CH entwickelt nüchternen feurigen Willen, nicht loderndes Feuer, sondern verhaltene Glut.
Das J, welches an derselben Stelle gebildet wird, aber den Stimmton mitnimmt, wird unverwechselbar anders erlebt. Es eilt tönend aus der Enge in die Weite. j ist ein konsonantisiertes 1. Es strömt zum Herzpunkt hin, vom Bitteren durch das Saure zum Süßen. Die Rille, durch die die Luft hindurchwirbelt, ist wie ein schmaler Trichter geformt. Da der Trichter sich erweitert, ist anzunehmen, daß die wirbelnden Spiralen sich nach vornehinverlangsamen.AnderesbeimS,wosichderTrichterverengt.Das j erhebt sich gleichsam spiralig über den bitteren Grimm und die saure Enge. Es besiegt durch sein tönendes Feuer die Gebundenheit an das materielle Sein.
Bei diesen Lauten und beim Geschmack des Sauren nimmt die Zunge die Gebärde des Zusammenziehens an. Nähme der ganze Mensch diese Haltung ein, dann müßte er sich mit geschlossenen Beinen hinstellen und die beiden Handflächen aneinanderdrücken. Auf seiner Stirne würde sich eine Falte bilden. Über die Stirnfalte schreibt Norbert Glas in seiner Physiognomie: In dieser Gegend empfindet der Mensch sehr stark sein eigenes Wesen, wenn er mit seinem Ich etwas in Gedanken wirklich erfassen will. Es ist daher selbstverständlich, daß jemand, der gewohnt ist, seine Persönlichkeit mit vollem Bewußtsein zu durchdringen, ein bestimmtes Zeichen davon auf der Stirne tragen wird.' Es muß ein Feuerlaut sein, der sich auf der Stirne eines Menschen einschreibt, welcher ein volles Ichbewußtsein erlangt hat. Es ist die Flamme des geistiggegenwärtigen Ich, die sich als Rune ins Antlitz prägt. - Und weiter können wir bei Norbert Glas lesen: je intensiver und vor allem angestrengter jemand nachdenkt, umso mehr ziehen sich diese unteren Falten zusammen. Es ist so, als stünde ein Mensch in einem bestimmten Augenblicke einem besonderen Widerstand gegenüber. In diesem Zustand spannt er sich an, sowohl in seiner Seele als auch in seiner Muskulatur - und am leichtesten wird dies auf der beweglichen Stirnhaut sichtbar."l9) - Der Ernstdenkende faltet seine Stirne, er faltet vielleicht noch seine Hände. Überhaupt haben wir es mit jener Kraft zu tun, die Links und Rechts zusammenhält. Der Mensch würde auseinanderfallen, wenn nicht der Essigprozeß oder S-SCH-CHJ-Prozeß ihn auf seine Mittellinie zusammenziehen würde.
So lernen wir auch die stumme Sprache der Natur kennen. In jenen Gegenden, in denen sich Moore bilden, worinnen Humussäuren in größerer Konzentration vorkommen, fühlt man als Naturstimmung den tiefen Ernst, die stille Melancholie, die Nüchternheit.

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Zusammenfassung
Der Essigprozeß - Die Ernüchterung
Säuren, wie sie in der Natur vorwiegend die Pflanzenwelt durchziehen, sind ein Ausdruck von Substanz gewordener Nüchternheit. Fruchtsäuren sind gleichsam kindlich nüchtern. Essig ist das Endprodukt der Ernüchterung.
Die Zunge verhält sich gleich beim Schmecken des Sauren und beim Artikulieren der Laute S - SCH - CH - J. Derselbe Substanzprozeß, der im Essig materiell geworden ist, ist bei der Artikulation dieser Laute tätig.


6. Der Salzprozeß - Die selbstlose Erkenntnis des Dauernden.

Den Geschmack von Salz nimmt man an den seitlichen vorderen
Zungenrändern wahr. Bringt man einige Körnchen Salz auf die Zunge, dann bemerkt man alsbald, wie sich der Geschmack flüchtig ausbreitet. Die Zunge wird selbst flach und breit und berührt mit ihren Rändern die untere Zahnreihe. Dieselbe Stellung nimmt sie ein, wenn ein E gesprochen wird. Durch eine breite Mittelfurche strömt dann die tönende Luft. Bei einiger Aufmerksamkeit kann man spüren, wie der Ton an den Eckzähnen vibriert. Offensichtlich haben Salzgeschmack und der E-Laut etwas mit den Zähnen zu tun.
Die Zähne entstehen beim Kleinkind aus einer gallertartigen Substanz. Sie verdichten sich am meisten im Schmelz, der einen Schutz gegen Fäulnis bietet. Beim zweiten Zahnen, mit dem Eintritt in das Schulalter, festigt sich auch das Seelenleben, so daß das Kind zu einem Denken gelangt, durch das es zum schulischen Lernen befähigt wird. Wir haben schon im ersten Teil über den metamorphosischen Zusammenhang zwischen derdenkleistung des Kopfes und der Zahnbildung gesprochen. Im Hinblick auf den Salzprozeß sei eine Stelle aus einem Vortrag Rudolf Steiners angeführt, wo gesagt wird, daß mit der Ablagerung und Auflösung von Salzen im Organismus das wache Bewußtsein innig verknüpft ist. An der Auflösung der Salze entfaltet sich die wache Seelenkraft. Sie braucht den Widerstand der Salzablagerung, sonst könnte der Mensch gar nicht wachen. Ist das Auflösen gegenüber dem Ablagern zu schwach, dann entstehen Krankheiten wie Gicht, Rheumatismus, Sklerose, Diabetes. Drei Vorgänge fördern die Salzablagerung: die Ernährung, der Schlaf und die Sinneswahrnehmung. Die durch die Wahrnehmung hervorgerufene Salzablagerung wird gewöhnlich wieder durch das Denken aufgelöst. Geschieht das aber nicht schnell genug, z. B. bei jähem Erschrecken, dann können Ohnmachtsanfälle auftreten. Der Salzprozeß ist also für das wache Seelenleben unerläßlich.1111) Fortwährend findet im Organismus ein Lösen und Ablagern fester Bestandteile statt, Vorgänge, die ebenso für die leibliche Gesundheit, wie für das wache Bewußtsein maßgebend sind.
Die menschliche Gesundheit ist mehr vom Seelenleben beeinflußbar, als man heute im allgemeinen annimmt. Wer sich nur seinen Begierden und Leidenschaften hingibt, der stört den geordneten Salzprozeß. Reine, nach dem Geistigen tendierende Gedanken helfen das im Organismus überwinden, was sonst zur Verwesung führen müßte.
Das Kochsalz kann uns ein Gleichnis sein für eine solche Seelenhaltung. Wenn man es wohldosiert den Speisen belmengt, schmeckt man weniger das Salz selbst, als vielmehr die anderen Ingredienzien. Das Salz tritt zurück und bringt das Übrige zur Geltung.
Es gab einen jungen Mann, der unbedingt Koch werden wollte, aber er hatte eine Störung seines Geschmacksinnes. Er konnte Salz nicht schmecken, und man meinte, dies sei doch für einen Koch unerläßlich. Trotzdem wurde er ein hervorragender Koch. Er fügte den Speisen solange Salz bei bis alle anderen Ingredienzien zu schmecken waren. Dann war das Salz richtig dosiert. Salz ist selbstlos.
Wenn in der Bibel zu den jüngern gesagt wird: Ihr seid das Salz der Erde', Math. 5/13, so bedeutet dies, daß durch die Aufnahme des Chrlstusimpulses der Mensch ein Vertreter des kristallklaren, selbstlosen Denkens wird, das im Herzen treu das Dauernde bewahrt. Damit wird er ein nützliches Glied in den menschlichen Gemeinschaften, das die Vorzüge der anderen hervorhebt.
Zurück nun zu dem, was dem Salzprozeß in der Artikulation entspricht: Die Geschmacksgebärde und die Artikulationsgebärde sind nur beim ELaut dieselben. Zweifellos werden auch noch F und W mit Hilfe der Zähne gebildet. Nicht ganz richtig werden auch L, N, D, T als Zahnlaute bezeichriet, obwohl sie hinter den Zähnen beim Herzpunkt artikuliert werden. Sie gehören dem Honigprozeß an.
Rudolf Hauschka betrachtet Honig und Salz von der Ernährung her u nd sagt: "Der Honig, der sich in den Nektar'en der Blüten ablagert, ist eine ganz besondere Substanz: Sie war zwar noch am Rande des Lebens, aber auch schon halb in der Sphäre des Salzes, jenes Salzes, von dessen Weisheit wir gesprochen haben. Das Besondere aber an dieser Honigsubstanz st ihre Geistnähe. Sie ist auf dem Wege der Auflösung in geistige Gestaltungskräfte. Sie ist ein geistig-physisches Substanz-Wesen, durchwoben von der Weisheit des Salzes, die auf dieser Stufe nahe ist den tragenden Weltgedanken." 141)

Wie sollte es anders sein? Der Sprachorganismus zeigt uns, daß der Honigpunkt von den Repräsentanten des Salzgeistes, von den Zähnen, wie von lauter erleuchteten Wächtern umgeben ist. Und Rudolf Steiner sagt dazu: "Geisteswissenschaftlich untersucht, ist in der Gegend der Zahnbildung und auch in der Umgebung eine außerordentlich rege Tätigkeit, die sich gewissermaßen nur locker an die physische Organisation an Zähnen schließt." 141 ) Hier 'in Umkreis des Herzpunktes und an den befindet sich die Lichtregion des Sprachorganismus. Die Zähne sind die lichten Helfer für die gedankliche Klarheit der Sprache.
Der eindeutige Salzlaut ist das E. Es ist wie das Licht, welches selbst nicht wahrgenommen wird, aber alles andere sichtbar macht. Sprachen, die mit so vielen E ausgestattet sind, wie die Germanischen, müßten zur Selbstlosigkeit des Denkens erziehen. Wie wir schon sagten, wird der Luftstrom an den Zähnen reflektiert. Etwas Ähnliches findet beim reflektierenden Denken statt. So zeigt das E seine Verwandtschaft zu den Nerven-Sinnesprozessen.
Zu den Zahn- oder Salzlauten muß auch das SCH gerechnet werden, alerdings In Verbindung mit dem Säureprozeß. Die durch die Rille strömende Luft wird am Herzpunkt abgelenkt und gegen die unteren Schneidezähne geworfen, gleichsam zerschnitten. Darum hat das SCH eine besondere Wirkung auf das einzige Organ, in dem freie Salzsäure auftritt. Das ist der Magen. Das S wird im Prinzip genau so gebildet, die Rille ist nur enger, die Strömungsgeschwindigkeit daher schneller und der Aufprall auf der Klippe der unteren Schneidezähne härter.
Das S'st an der Bildung von Rückenmark und Wirbelsäule maßgeblich beteiligt. An der Luftform im Munde sieht man deutlich die Metamorphose der Wirbelsäure. Was hier als Luft wirbelt, bildet sich dort als gegl'ederter Bewegungsapparat und als Gehäuse für gebündelte Nerven. Aus dem Feuer ist die Wirbelsäule entstanden, der Salzprozeß hat sie mit der Knochenhülle ausgestattet und der ins Giftige gewendete Honigprozeß gab ihr die schlangenartige Beweglichke't und das innere Licht der Nerventätigkeit.
Bei W und F verbinden sich die unteren Lippen mit den oberen Zähnen, das Weichste mit dem Härtesten, das Lebendigste mit dem beinahe schon Toten: zwei Feuerlaute, die sich nur durch den Stimmton unterscheiden. Aber welch ein Unterschied!
Das W flammt zwischen Leben und Tod singend hindurch, das F flüsternd. Der lebendige M'Ichprozeß der Lippen verbindet sich mit dem minerallsierenden Salzprozeß der Zähne, das Säfteströmen mit der Verdichtung. Beim W belauschen wir die Organe, wie sie von den warmen Körpersäften ernährtwerden und wie diese wiederausgeschiedenwerden.
Beim F belauschen wir den Flüssigkeitsmenschen, wie er die Säfte unter dem Einfluß der Wärme zu Organstrukturen verdichtet und wieder auflöst.
Beim W.- Ernährung und Ausscheidung
Beim F: Organverdichtung und -auflösung
Ganz aus der W-Stimmung schreibt Novalls die Zellen-.
"ich fühle dankbar Zaubermächte
an diese Lippen festgebannt."
Es liegt nämlich etwas magisch Zauberhaftes in dem W-Laut, der wie
kein anderer den Willen impulsiert. Das geschieht, weil der in den Säften
dumpf brütende Mensch durch den Salzprozeß erweckt wird.
Wollte man Novalls ergänzen, dann müßte man für das F schreiben:

, Ich sehe lichte Gedankenkräfte
in diese Zähne einverleibt."
Es weht beim F, ebenso wie beim W, der Feuer-wirbel zwischen dem
Salz- und dem Milchprozeß hindurch. Da aber die Dynamik des Tones
fehlt, tritt das Salz, nämlich die in den Zähnen kondensierte Weisheit
stärker hervor. Das F spricht von der die Welt durchleuchtenden Weisheit.
Sie klärt und reinigt die Gefilde. Was nicht zu kristalliner Gestalt geronnen
ist, wird weggefegt. Es entsteht freier Raum für eindeutig - reine Formge-
staltung.
In bemerkenswerter Weise verbinden sich bei F und W der Salzprozeß
mit dem Milchprozeß - anders gesagt - das Prinzip der Weisheit mit dem
Prinzip des Lebens. jeder Blick in die Natur zeigt uns in der unscheinbarstenPflanze, im kleinsten Tier überall in den Erscheinungen des Lebendlgen wie Weisheit und Leben miteinander verbunden sind. Es gibt für diesen Tatbestand ein geradezu erschütterndes Bild aus der Arbeit von Erich Blechschmidt"'), das dieses Kapitel beschließen soll. Da wird ein Embryo am Ende des fünften Schwangerschaftsmonats gezeigt. Wie gebeugt unter einer Last trägt er auf seinem Nacken die Plazenta, man könnte sagen, den Proviant für den ersten Teil seiner Lebensreise.
Im Wandel der Embryonalgestaltung entwickelt sich, was mitgebracht wurde aus der vorirdischen Welt: die Weltenweisheit. Der Embryo ist leibgewordene Weisheit, SalzbIdung'm geistigen S'nne des Wortes. Und diese Weisheit trägt das nährende Leben mit sich. Vom irdischen Standpunkt trägt die Mutter das Kind,- vom geistigen Standpunkt ist es umgekehrt, da trägt die Weisheit das Leben. Die Erdenmutter EWA - nicht anders könnte sie heißen - für die jede Mutter stellvertretendi st, nährt den Embryo. W bedeutet: Das Leben nährt die Weisheit; und F bedeutet: Die Weisheit trägt das Leben.

Zusammenfassung

Der Salzprozeß - Die selbstlose Erkenntnis des Dauernden

Von dem Verfestigen und Auflösen der Salze im Organismus hängt das bewußte Seelenleben ab. Der Mensch könnte nicht denken, wenn nicht Salz in seiner Nahrung enthalten wäre. Die Zähne sind die Repräsentanten des Salzprozesses. Die Zahnlaute E, S, SCH, W, F sind Träger und Wächter des Gedankenlebens.


7. Werdeprozesse in der Sprache und in Substanzen

Wir haben aus der unendlichen Vielfalt von Substanzprozessen sechs typische als Leitbilder ausgewählt.

1 . Der Honigprozeß entsteht in der lichterfüllten Natur, als ein Streben zu einer Art Ich-Substanz zu gelangen. Dasselbe Streben artikuliert sich in der menschlichen Sprache durch die Herzpunktlaute: R, L, N, D, T, sowie 1, A, 0.
2. in der Milch wird zur Substanz, was als mütterliche Liebe das eben geborene Wesen beschützt und umhüllt. So schützen und umhüllen auch die Lippenlaute B, P, M und das U, in gewisser Hinsicht auch W und F, das Ich.
3 . Im Anisprozeß drückt sich das Streben von Naturwesen aus, sich aus der Stoffgebundenheit zu lösen. Man könnte sagen, Anis sehnt sich zurück nach jener Geistigkeit, aus der er gekommen'st. Die menschliche Sprache drückt dieses Sehnen nach dem kosmischen Ursprung durch die Laut M, N, NG aus.
In diesen drei Prozessen substantliert sich eine Naturgeistigkeit, die aus früheren Entwicklungszuständen der Erde stammt. Sie haben sich in die gegenwärtige Erde herübergerettet aus jenen mythischen Zeiten, von denen die Sagen berichten, aus dem Land, das von wunderbaren Düften durchweht war und in dem Milch und Honig floß.
4. Salz ist die einzige mineralische Substanz in diesem Zusammenhang. Es hat sich zutiefst mit dem Materiellen verbunden und ist doch durch sein Lösen und Kristallisieren beweglich geblieben,. a sogar lebendig. Man bedenke, wieviele Wesen das salzige Meer beherbergt, wie Salz überhaupt das Leben bewahrt und in den Körperflüssigkeiten von Tieren und Menschen unerläßlich ist. Der Salzprozeß bildet den Gegenpol zum Anisprozeß. Die entsprechenden Laute sind W, F, S, SCH und E.
5. Im Wermut findet sich der Prozeß, welcher das Substantielle energisch Mit dem Materiellen verbindet. Der Absinth löst sich heraus. Er ent-zieht sich der Aufgabe und verhält sich wie Anis. Deshalb wird er giftig.
Den Gegenpol zum Wermutp .bildet der Honigprozeß. Im Honigprozeß substantiiert sich das Licht, in Wermut die Dunkelkraft. Die Laute, welche die Dunkelkraft des Willens enthalten, sind die Gaumenlaute: G, K, CH, J, NG.
6. Essig wirkt konservierend, ähnlich wie Salz, aber in einer anderen Richtung. Salz geht n die Weite und verweist die Verwesung einer lebend'gen Substanz an die äußersten Grenzen; Essig zieht das Lebendige zusammen zu einer feurigen Dchtheit. Man wird in der Therapie bzw. Prophylaxe ansteckender Krankheiten diesen Umstand ins Auge fassen müssen. Man verwendete z. B. in Pestzeiten den Essig zum Desinfizieren. Denn es handelt sich dabei um Ubergriffe der Krankheitserreger, die eine part'elle Verwesung einleiten, gegen die der Körper nicht genügend Abwehrkräfte besitzt. Ess'glaute sind S, SCH, CH, j. Davon sind S und SCH mit dem Salzprozeß verbunden. Der Essigprozeß ist dem Milchprozeß entgegengesetzt. Milch wird sofort sauer, wenn Essig dazukommt.
Die drei letztgenannten Substanzprozesse haben sich tief mit dem materiellen Erdendasein verbunden. Sie teilen mit dem Menschen das Schicksal, ganz Erdenbürger zu sein. Essig gibt ihm den nüchternen Sinn, in der Welt Salz die gedankliche Klarheit und Wermut den starken Willen, zu bestehen, den Starkmut.
ESSIG WERMUT
SALZ

Abb. 29: Unteres Substanzdreieck
In der uns umgebenden Natur gerinnt immerfort ein Werdendes zu einemgewordenen. InjedemSamenkorn, injedem tierischen oder menschlichen Keim geht die Entwicklung von einem chaotischen Urzustand aus, der allmählich gestaltet wird. Immer sind es Strömungen, welche die Substanzen formen, bis sie dichtere und bleibendere Gestalt annehmen. In diesemströmenden Gestalten sprichtderkosmos ähnlichwie dermensch. Spricht der Mensch, dann bewegt er die Luft in ebensolchen Strömungen, wie sich das Flüssige in den Organismen bewegt.
Das Substantielle aber, das in der Natur materiell anwesend ist, kann in der Sprache nicht in derselben Weise da sein. Substantielles ist dadurch anwesend, daß die Strömungen in die sechs Situationen gebracht werden. Die Substanzen, die in der Natur bis zur Kategorie des Raumes herabgestiegen sind, begeben sich bei - der Sprache nur bis zur Kategorie der Situation. je nachdem wie ein Laut im Sprachorganismus situiert ist, kommt seine Substanz zur Geltung. Das unterscheidet Substanzen in der Natur und im Sprachprozeß.
Mit den sechs Substanzprozessen haben wir den Schlüssel zu einer Pharmakologie der Laute gefunden.

ANIS

WERMUT

ESSIG


HONIG MILCH

SA LZ

Abb.: Hexagramm der Substanzen

Zusammenfassung
Werdeprozesse in der Sprache und in Substanzen
Wir haben gefunden, daß in sechs Situationen Laute gebildet werden, und wir konnten diese mit sechs Substanzprozessen vergleichen. Dabei kam es uns auf die Werdeprozesse in den Lauten und den Substanzen an. Wir fanden ein oberes und ein unteres Substanzdreleck, die sich zu einem in sich geordneten Hexagramm zusammenschließen. Das sind Leitbilder, die darauf hindeuten, daß die Geschehnisse in der menschlichen Rede mit Substanzgeheimnissen zusammenhängen, daß die Lautbildung im tiefsten Sinne etwas zu tun hat mit dem Werden von Substanzen, d. h. mit dem Weltenwerden überhaupt.

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